Meditation und soziale Verantwortung.
Es gibt auch Menschen, die die Meditation nicht für
eine Übung halten, die uns in die Gegenwart bringt, sondern uns von
der Welt wegführt. Wenn die Einsamkeit faszinierend ist, dann kann
uns das von der Welt wegführen. Aber damit eine spirituelle Übung
lebendig werden kann, muss man sie überall, ob Supermarkt,
Autofahren oder Unternehmungen mit der Familie ausführen können.
Man kann eine Wochenendmeditation durchführen, aber der tiefere Sinn
einer Meditation besteht darin, zu erkennen, dass wir ein Teil von
allem sind, und nicht darin, vor irgendetwas im Leben davonzulaufen.
Ein wichtiger Aspekt im Leben ist die soziale Verantwortung.
Aber es gibt noch einen Standpunkt, der besagt: der
beste Weg, um Krieg und Leid zu lindern, besteht darin, ihre Ursachen
zu erkennen. Was sind die Ursachen von Hunger, Krieg und Leid? Es
gibt genug Öl, Nahrung und Bodenschätze auf diesem Planeten. Doch
die Ursache für einen Großteil von leid ist die Gier, und Ursache
der Gier sind Vorurteile und Hass.
Wir mögen unser Land, unsere Familie und unsere
Religion, aber wir verabscheuen Menschen mit anderen Religionen, mit
anderer Hautfarbe, mit anderen Sitten und Gebräuchen.
Es gibt Hamstern, Zusammenraffen, Gier, Hass und
Unwissenheit. Es gab viele Revolutionen in unserer Geschichte, die
auch in mancher Hinsicht Verbesserungen erbrachten, aber andererseits
tritt die gleiche Art von Problemen immer und immer wieder in
Erscheinung, weil wir bisher an die Wurzeln der Problems nicht
herangekommen sind.
Doch der Kern des Problems besteht darin, dass jeder
einzelnen bei sich selbst die Wurzel von Wut und Hass entdecken muss,
bevor er versteht, wie sich das auf die Außenwelt auswirkt.
Die Lösung liegt darin, dass jeder Einzelne lernt, wie
man sich vor Ängsten und Vorurteilen, die in den Köpfen der
Menschen entstehen, befreien kann. Wir müssen lernen, die Welt
genauso zu sehen, wie sie ist, und nicht vor dem, was schmerzvoll
ist, Angst haben oder uns oder dem, was angenehm ist, verführen
lassen.
Man muss entdecken, dass wir unsere Herzen für alles,
was man erlebt, für jeden Menschen, den man begegnet, offen halten
können.
Von diesem Standpunkt aus betrachtet, brauchen wir nicht
Öl, Nahrung, Geld oder sonst etwas Äußerliches, sondern man
braucht Menschen, die verstehen, wie man sich nicht in Ärger, Furcht
und Vorurteile verstricken lässt.
So gesehen ist die Meditation weder Luxus noch ein Weg
zur Weltflucht, sondern eine Möglichkeit, ein tiefes Gefühl für
unsere Verantwortung zu entwickeln, die darin besteht, zu lernen, wie
man vermeidet, von diesen Kräften gefangen genommen zu werden. In
der Meditation lernen wir zuerst, was diese Erkenntnis für uns
innerlich bedeutet, bevor wir das Verständnis in die Begegnungen mit
dem ökonomischen, sozialen und politischen Leiden in die Welt
einbringen.
Doch es besteht auch die Gefahr, dass man die Meditation
benutzt, um sich von der Welt zurückzuziehen. In der buddhistischen
Tradition gibt es eine Lehre, die „enge Feinde“ heißt. Der „enge
Feind“ der Liebe ist festhalten. Es maskiert sich als Liebe, fühlt
sich an wie Liebe, aber es ist etwas anderes. Sagt man: „ich liebe
dich,“ dann meint man, „ich klammere mich an dich fest, ich
brauche dich, um ganz zu werden“. Der „enge Feind“ des
Mitgefühls ist Mitleid. „Ach, die armen Leute da drüben, wie
schlecht es ihnen doch geht. Mir geht es nicht so schlecht“.
Mitleid hält uns von den Menschen, für die wir Mitgefühl zu
empfinden glauben, getrennt und macht uns ihnen überlegen.
Der „enge Feind“ von Gleichmut oder einem
ausgeglichenen Geist ist Gleichgültigkeit. Sie maskiert sich als
Gleichgültigkeit, weil wir das Gefühl haben, dass alles in Ordnung
ist. Aber in Wirklichkeit bedeutet es, dass wir keine Gefühle für
andere Menschen haben.
Gleichmut entsteht, wenn wir unsere Herzen offen halten
und alles, was die Welt uns darbietet, mit Ausgeglichenheit, Liebe
und Verständnis erleben. Wir laufen nicht vor einer Welt davon, wir
setzen uns in der Mitte von allem nieder und richten die
Aufmerksamkeit auf alles, was gegenwärtig ist, egal ob es erfreulich
oder schmerzlich ist, und fangen an, zu beobachten, daraus zu lernen
und auch zu lernen, wie wir auf weise Art mit allem in unserem Leben
in Beziehung treten können.
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