Erscheinung und Illusion.
Sieht man das Bedeutungsvolle als bedeutungsvoll und das
Bedeutungslose als bedeutungslos, dann ist man zu wahrem Verstehen
fähig.
Was ist eigentlich der Geist? Der Geist ist wie ein
Magier auf der Bühne,er kann uns Dinge sehen lassen, die gar nicht
wirklich da sind. Die meisten von uns sind ganz gefesselt von den
Illusionen, die unser Geist erzeugt, und wir ermuntern uns geradezu
zu immer noch haarsträubenderen Fantasien. Doch mit ihrer Dramatik
werden diese zur Sucht. Denn dadurch werden die Probleme für uns
überlebensgroß erscheinen, auch wenn die Situation, wodurch sie
entstehen, beängstigend sein mag.
Wenn ein Magier ein Kaninchen aus dem Hut zieht, dann
spenden wir für diesen Trick einen Beifall, so schauen wir uns
Horrorfilme an, lesen Krimis, lassen uns auf schwierige Beziehungen
ein und streiten uns mit unseren Chefs und Mitarbeitern herum.
Wir genießen auf seltsame Art die von solchen
Erfahrungen verbundene Spannung, das vermutlich etwas mit der
ältesten Schicht unseres Gehirns zu tun hat, mit dem
Reptiliengehirn.
Sie verstärkt eine Empfindung von einem „Ich“,
welches gegen die „anderen“ antritt, dadurch wird unser
Selbstgefühl bestätigt, aber es ist scheinbar selbst nur eine
Erscheinung ohne inhärente Wirklichkeit.
Den Geist kann man mit einem Filmprojektor vergleichen.
Sobald der Projektor Bilder auf die Leinwand wirft, projiziert der
Geist Sinnesphänomene auf eine bestimmte Art von Kognitionsleinwand,
einen Kontext, den wir für die Außenwelt halten, während die
Gedanken, Gefühle und Empfindungen auf eine andere Art von der
Leinwand oder Kontext projiziert, was wir unsere Innenwelt oder unser
„Ich“ nennen.
Das kommt in buddhistischer Sicht auf die absolute und
relative Wirklichkeit nahe.
Doch die absolute Wirklichkeit ist die Leere, ein
Zustand, in dem Wahrnehmungen intuitiv als ein unendlicher und
vergänglicher Fluss von möglichen Erfahrungen erkannt werden.
Wenn wir die Wahrnehmungen als bloße flüchtige, durch
Umstände bedingte Ereignisse zu erkennen beginnen, lasten sie nicht
mehr so schwer auf uns, und die ganze dualistische Struktur vom „Ich“
und „anderen“ beginnt sich aufzulösen. Die relative Wirklichkeit
ist die Summe der Erfahrungen, die aus der irrtümlichen Vorstellung
entstehen, dass alles, was wir wahrnehmen, für sich und aus sich
selbst heraus Wirklichkeit besitzt.
Doch die Gewohnheit zu denken, dass die Dinge „da
draußen“ in der Welt oder „hier drinnen“ existieren, lässt
sich nur schwer aufgeben. Was bedeutet das? Wir müssen von allen
lieben Illusionen Abstand nehmen und erkennen, alles, was wir
projizieren, was wir für das „andere“ halten, ist ein spontaner
Ausdruck unseres eigenen Geistes. Was wieder für uns bedeuten würde,
von unseren Vorstellungen über die eigene Wirklichkeit Abschied zu
nehmen und stattdessen den Fluss der Wirklichkeit so zu erfahren, wie
er wirklich ist.Dabei braucht man sich von den eigenen Wahrnehmungen
nicht völlig zu lösen. Man muss sich nicht in die Einsamkeit
zurückziehen, sondern man die Wahrnehmungen, die man wahr nimmt,
genießen, und auf sie aktiv einlassen, und man kann sie so
betrachten, wie Objekte, die man im Traum wahrnimmt, betrachtet. Ja,
man kann lernen, die Vielfalt der sich uns präsentierenden
Erfahrungen zu bestaunen und zu bewundern.
Da wir den Unterschied zwischen Erscheinungen und
Illusion erkennen, können wir uns auch das Eingeständnis erlauben,
das manche unserer Wahrnehmungen falsch oder von Vorurteilen bestimmt
sein könnten und das unsere Vorstellungen davon, wie die Dinge sein
sollten, bis zu einem solchen Grad verhärtet haben könnten, dass
wir nur noch unseren eigenen Standpunkt sehen.
Erkennt man die Leerheit und Klarheit des Geistes, dann
wird das Leben viel reicher und intensiver. Man muss erst einmal
seine Vorstellungen davon, wie die Dinge sein sollten, abstreifen,
dann ist man frei, auf seine Erfahrungen als genau das, was man im
Hier und Jetzt ist, und was ich im Hier und Jetzt bin, zu reagieren.
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