Interdependenz
Hier ein einfaches Beispiel. Wir haben zwei Stühle vor
uns. Einer weist vier Stuhlbeine auf, die sehr fest und stabil sind,
der andere hat nur zwei stabile Stuhlbeine, aber dazu noch zwei
angebrochene.
Ich lasse mich auf den Stuhl mit den vier stabilen
Stuhlbeinen nieder und was passiert? Eigentlich gar nichts, denn ich
sitze sehr bequem auf diesem Stuhl.
Aber dann lasse ich mich auf den anderen Stuhl nieder,
und was passiert mir dann? Für euch bestimmt etwas Lustiges, aber
für mich nicht. Der Stuhl mit den beiden angebrochenen Stuhlbeines
bricht zusammen, und ich befinde mich auf dem Boden.
Oberflächlich habe ich zwei Stühle, die ich betrachten
kann, was ich auch mache, aber die zugrunde liegenden Bedingungen
sind nicht gleichen, was ich aus den Erfahrungen mit den beiden
Stühlen gemacht habe, denn ich habe zwei verschiedene Erfahrungen
gemacht, denn einmal saß ich bequem auf dem Stuhl und das andere Mal
lag ich nach dem Sitzen auf dem Boden.
Hier haben verschiedene Ursachen zusammen gespielt und
so etwas nennt man im Buddhismus „Interdependenz“.
Das Wirken dieser Prinzipien des abhängigen Entstehens,
der wechselseitigen Bedingtheit und Verflechtung kann man fortwährend
und überall in unserer Umwelt beobachten..
Zum Beispiel: ich nehme ein Samenkorn, das zum Beispiel
das Potenzial des Wachstums in sich trägt, und es auch unter
bestimmten Bedingungen verwirklichen kann. Das heißt, aus diesem
Samenkorn kann ein Baum, ein Busch oder ein Weinstock werden.
Ich pflanze das Samenkorn ein, es wird gewässert und
bekommt anschließend die richtige Menge an Licht. Es hat jetzt die
richtigen Bedingungen, aber was jetzt daraus wird, das hängt von der
Art des Samenkorns ab.
Eigentlich könnte man sagen, es gibt ähnliche
Entscheidungen, die wir auch im Alltag treffen müssen, und sie haben
eine relative Auswirkung, sie setzen Ursachen und Bedingungen in
Gang, die im Bereich der relativen Wirklichkeit unvermeidliche
Konsequenzen erzeugen. Denn Entscheidungen auf der relativen Ebene
sind wie Steine, wenn man sie in ein Wasser wirft, dann werden dort,
an der Einwurfstelle, kleine Wellen gebildet, die sich in Form von
konzentrischen Wellen ausbreiten. Fällt dieser Stein in das Fenster
des Nachbarn, dann hat es eine Reihe anderer Konsequenzen.
So gründen sich, oder auch so ähnlich, die Gedanken
und Vorstellungen über die eigene Person, auf vorhergehende Ursachen
und Bedingungen. Aber irgendeine beliebige Anzahl von Dingen kann
über die Art der relativen Erfahrung bestimmen, ohne dass dies
irgendetwas an der absoluten Wirklichkeit dessen, wer man ist,
ändert.
Für einen Akt der Wahrnehmung sind drei wesentliche
Elemente nötig: erstens ein Reiz oder ein Stimulus also etwas
Sichtbares, ein Laut, ein Geruch, ein Geschmack oder etwas, das wir
berühren oder von dem wir berührt werden, zweitens ein Sinnesorgan
und drittens eine Reihe Schaltsysteme im Gehirn, die die vom
Sinnesorgan erhaltenen Signale strukturieren und ihnen Sinn
verleihen.
Bei der visuellen Wahrnehmung eines Gegenstandes wird
die aufgenommen, wird an den Thalamus weitergeleitet, und wird dort
sortiert. Wenn der Gegenstand sortiert worden ist, dann wird er
weitergeleitet, in eine Region die emotionale Reaktionen und
Empfindungen von Schmerz und Lust verarbeiten, und hier wird auch das
Urteil fallen, ob der Gegenstand etwas Gutes, Schlechtes oder
Neutrales ist. Man kann dieses Gefühl auch als „Bauchgefühl“
bezeichnen.
Im Gehirn bildet sich ein Bild, das von einer Vielfalt
von Faktoren abhängig ist, einschließlich unserer Umwelt,
Erwartungen, früheren Erfahrungen und auch der Struktur der
Gehirnschaltungen.
Die sensorischen Prozesse und alle Faktoren sind ständig
wechselseitig beeinflussbar.
Man sieht nicht die absolute Wirklichkeit des
Gegenstandes, sondern nur die relative Erscheinung, es ist ein
konstruiertes Bild auf mentaler Ebene.
Man kann sagen, das Gehirn ist strikt biologisch
gesehen, an der Gestaltung und Konditionierung der Wahrnehmung aktiv
beteiligt.
Außerhalb der Grenzen des Körper gibt eine „reale
Welt“ in der Objekte existieren, aber allgemein gibt es
Sinneswahrnehmungen und -erfahrungen, die eine sehr direkte und
unmittelbare Angelegenheit zu sein scheinen, die an ihnen beteiligten
Prozesse aber weitaus subtiler und komplexer sind, als es den
Anschein hat.
Die aktive Rolle des Gehirns bei den
Wahrnehmungsprozessen bestimmt entscheidend über unseren normale
Geisteszustand. Aber ebendiese aktive Rolle eröffnet auch denen ,
die sich in bestimmten mentalen Schulungspraktiken zu üben bereit
sind, die Möglichkeit, seit Langem bestehende
Wahrnehmungsgewohnheiten, die sich durch Jahre vorangegangener
Konditionierung herausgebildet haben, allmählich zu verändern.
Durch die Umschulung des Gehirns neue neuronale
Verbindungen entwickeln, die es möglich machen, nicht nur bestehende
Wahrnehmungsformen zu transformieren, sondern auch über gewöhnliche
mentale Zustände wie Angst, Hilflosigkeit und Schmerz
hinauszugelangen und zu einer dauerhafteren Erfahrung von Glück und
Frieden zu kommen.
Es wäre eine gute Nachricht für alle, die das Gefühl
haben, in ihren Vorstellungen über das Leben und wie es nun mal ist,
festzusitzen.
Nichts an den Gedanken, an den Erfahrungen, den Gefühlen
und den Empfindungen ist so festgelegt und unveränderlich, wie es
den Anschein hat. Ihre Wahrnehmungen sind nur sehr grobe Annäherungen
an die wahre Natur der Dinge. Tatsache bildet das Universum, in dem
wir leben, mit dem Universum in unserem Geist ein integriertes
Ganzes.
Die moderne Wissenschaft kann in einem kühnen Versuch,
die Wirklichkeit in objektiven, rationalen Begriffen beschreiben, um
uns wieder das Gefühl für die Magie und Erhabenheit der Existenz
herzustellen.
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