Freitag, 21. August 2015

Interdependenz

Interdependenz

Hier ein einfaches Beispiel. Wir haben zwei Stühle vor uns. Einer weist vier Stuhlbeine auf, die sehr fest und stabil sind, der andere hat nur zwei stabile Stuhlbeine, aber dazu noch zwei angebrochene.
Ich lasse mich auf den Stuhl mit den vier stabilen Stuhlbeinen nieder und was passiert? Eigentlich gar nichts, denn ich sitze sehr bequem auf diesem Stuhl.
Aber dann lasse ich mich auf den anderen Stuhl nieder, und was passiert mir dann? Für euch bestimmt etwas Lustiges, aber für mich nicht. Der Stuhl mit den beiden angebrochenen Stuhlbeines bricht zusammen, und ich befinde mich auf dem Boden.
Oberflächlich habe ich zwei Stühle, die ich betrachten kann, was ich auch mache, aber die zugrunde liegenden Bedingungen sind nicht gleichen, was ich aus den Erfahrungen mit den beiden Stühlen gemacht habe, denn ich habe zwei verschiedene Erfahrungen gemacht, denn einmal saß ich bequem auf dem Stuhl und das andere Mal lag ich nach dem Sitzen auf dem Boden.
Hier haben verschiedene Ursachen zusammen gespielt und so etwas nennt man im Buddhismus „Interdependenz“.
Das Wirken dieser Prinzipien des abhängigen Entstehens, der wechselseitigen Bedingtheit und Verflechtung kann man fortwährend und überall in unserer Umwelt beobachten..
Zum Beispiel: ich nehme ein Samenkorn, das zum Beispiel das Potenzial des Wachstums in sich trägt, und es auch unter bestimmten Bedingungen verwirklichen kann. Das heißt, aus diesem Samenkorn kann ein Baum, ein Busch oder ein Weinstock werden.
Ich pflanze das Samenkorn ein, es wird gewässert und bekommt anschließend die richtige Menge an Licht. Es hat jetzt die richtigen Bedingungen, aber was jetzt daraus wird, das hängt von der Art des Samenkorns ab.
Eigentlich könnte man sagen, es gibt ähnliche Entscheidungen, die wir auch im Alltag treffen müssen, und sie haben eine relative Auswirkung, sie setzen Ursachen und Bedingungen in Gang, die im Bereich der relativen Wirklichkeit unvermeidliche Konsequenzen erzeugen. Denn Entscheidungen auf der relativen Ebene sind wie Steine, wenn man sie in ein Wasser wirft, dann werden dort, an der Einwurfstelle, kleine Wellen gebildet, die sich in Form von konzentrischen Wellen ausbreiten. Fällt dieser Stein in das Fenster des Nachbarn, dann hat es eine Reihe anderer Konsequenzen.
So gründen sich, oder auch so ähnlich, die Gedanken und Vorstellungen über die eigene Person, auf vorhergehende Ursachen und Bedingungen. Aber irgendeine beliebige Anzahl von Dingen kann über die Art der relativen Erfahrung bestimmen, ohne dass dies irgendetwas an der absoluten Wirklichkeit dessen, wer man ist, ändert.
Für einen Akt der Wahrnehmung sind drei wesentliche Elemente nötig: erstens ein Reiz oder ein Stimulus also etwas Sichtbares, ein Laut, ein Geruch, ein Geschmack oder etwas, das wir berühren oder von dem wir berührt werden, zweitens ein Sinnesorgan und drittens eine Reihe Schaltsysteme im Gehirn, die die vom Sinnesorgan erhaltenen Signale strukturieren und ihnen Sinn verleihen.
Bei der visuellen Wahrnehmung eines Gegenstandes wird die aufgenommen, wird an den Thalamus weitergeleitet, und wird dort sortiert. Wenn der Gegenstand sortiert worden ist, dann wird er weitergeleitet, in eine Region die emotionale Reaktionen und Empfindungen von Schmerz und Lust verarbeiten, und hier wird auch das Urteil fallen, ob der Gegenstand etwas Gutes, Schlechtes oder Neutrales ist. Man kann dieses Gefühl auch als „Bauchgefühl“ bezeichnen.
Im Gehirn bildet sich ein Bild, das von einer Vielfalt von Faktoren abhängig ist, einschließlich unserer Umwelt, Erwartungen, früheren Erfahrungen und auch der Struktur der Gehirnschaltungen.
Die sensorischen Prozesse und alle Faktoren sind ständig wechselseitig beeinflussbar.
Man sieht nicht die absolute Wirklichkeit des Gegenstandes, sondern nur die relative Erscheinung, es ist ein konstruiertes Bild auf mentaler Ebene.
Man kann sagen, das Gehirn ist strikt biologisch gesehen, an der Gestaltung und Konditionierung der Wahrnehmung aktiv beteiligt.
Außerhalb der Grenzen des Körper gibt eine „reale Welt“ in der Objekte existieren, aber allgemein gibt es Sinneswahrnehmungen und -erfahrungen, die eine sehr direkte und unmittelbare Angelegenheit zu sein scheinen, die an ihnen beteiligten Prozesse aber weitaus subtiler und komplexer sind, als es den Anschein hat.
Die aktive Rolle des Gehirns bei den Wahrnehmungsprozessen bestimmt entscheidend über unseren normale Geisteszustand. Aber ebendiese aktive Rolle eröffnet auch denen , die sich in bestimmten mentalen Schulungspraktiken zu üben bereit sind, die Möglichkeit, seit Langem bestehende Wahrnehmungsgewohnheiten, die sich durch Jahre vorangegangener Konditionierung herausgebildet haben, allmählich zu verändern.
Durch die Umschulung des Gehirns neue neuronale Verbindungen entwickeln, die es möglich machen, nicht nur bestehende Wahrnehmungsformen zu transformieren, sondern auch über gewöhnliche mentale Zustände wie Angst, Hilflosigkeit und Schmerz hinauszugelangen und zu einer dauerhafteren Erfahrung von Glück und Frieden zu kommen.
Es wäre eine gute Nachricht für alle, die das Gefühl haben, in ihren Vorstellungen über das Leben und wie es nun mal ist, festzusitzen.
Nichts an den Gedanken, an den Erfahrungen, den Gefühlen und den Empfindungen ist so festgelegt und unveränderlich, wie es den Anschein hat. Ihre Wahrnehmungen sind nur sehr grobe Annäherungen an die wahre Natur der Dinge. Tatsache bildet das Universum, in dem wir leben, mit dem Universum in unserem Geist ein integriertes Ganzes.
Die moderne Wissenschaft kann in einem kühnen Versuch, die Wirklichkeit in objektiven, rationalen Begriffen beschreiben, um uns wieder das Gefühl für die Magie und Erhabenheit der Existenz herzustellen.

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